www.e-w-baader-arbeitsmedizin.de

 

 Besuch des Wüstenklosters St. Antonius

Antoniuskloster [1]


 

27./ 28. Februar 1959

 
 

Da Du an der Schilderung meines Besuches der Wüstenklöster im Wādī an-Naṭrūn (arabisch وادي النطرون) Freude hattest, will ich Dich einladen auch an meiner Fahrt zum Berge Kolzim in der Arabischen Wüste teilzunehmen, wo der Hl. Antonius, der Einsiedler, im Jahre 285 das erste christliche Gemeinschaftskloster gründete, das noch heute seinem Zweck dient. Es war mein letztes, aber auch besonders interessantes Abenteuer in Ägypten. Der deutsche Konsul, der einst auf der Suche nach dem Kloster drei Stunden mit seinem Wagen ergebnislos herumgeiirt war, riet, die Expedition mit zwei Wagen zu unternehmen, die sich gegebenenfalls helfen könnten. Dr. E. und Frau hatten jedoch ihren amerikanischen Ford tadellos überholen lasen, so daß sie meinten, ihnen könne nichts passieren. Sie luden mich und das amerikanische Ehepaar Prof. M. (auch Weltgesundheitsorganisation) zur Fahrt ein und so starten wir am Freitag den 27. Februar, leider erst am Spätvormittag – da Dr. E. noch Dienst hatte – unter der blauen Flage der WHO vom Dienstpalast in Alexandria. Die Ausfahrt über den Flughafen und entlang des Mariutssees mit seinen Schilfhütten der Fischer ist Dir ja schon bekannt. Dann folgten kleine Bauernsiedlungen unter spärlichen Palmen und – welche Überraschung – Obstblüten zu beiden Seiten der Fahrtstraße. Weiße und zartrosa Bäumchen entlang der Fahrtstraße. Diese sind ‚Misch-Misch’ (Aprikosen), die als erstes Obst schon Ende Mai reifen und wie die Tomaten, Bananen und Weintrauben um Alexandrien besonders süß sind. Die Araber nennen einen entschlusslosen, etwas komischen Menschen ‚Misch-Misch-Effendi’, da er wie eine Aprikose nicht recht weiß, ob ihr der Geschmack eines Pfirsischs oder einer Pflaume zukommt. Doch nicht nur die Obstblüte unter dem blauen Himmel war ein neuer Anblick, auch die Wüste, die sonst so grau und leblos aussah, blüthe. Große Teppiche gelber, weißer und blauer Blumen und Blümchen erfreuten das Auge. So rollten wir in gehobener Stimmung auf dem Asphaltband der Dir schon bekannten Wüstenstraße Alexandria-Kairo dahin. Ich saß neben Dr. E. im Vordergrund, die drei anderen im Hintersitz. Plötzlich sah ich wie in Ferne eine mächtige gelbe Sandwolke sich auftürmt und alle Sicht in eine trübe, graugelbe Dämmerung verwandelt. Die Sandwolke wirbelt über das dunkle Band der Fahrtstraße und scheint sich uns schnell zu nähern, bzw. wir sausen mit 100 km Geschwindigkeit auf sie zu. Da gibt es einen Ruck und ein Schleudern. Der linke Hinterreifen ist geplatzt. Also Reifenwechsel, ein Ereignis, das auf heimatlichen Landstraßen keine Besonderheit bietet. Aber hier stehen wir mitten im Sandsturm. Um den Wagenheber anzusetzen und den Wagen zu entlasten, steigen wir alle aus. E. und M. mit dem Radwechsel beschäftigt. Mir schlägt der feine Sand gleich hundert Stecknadeln ins Gesicht. Du kannst Dir vielleicht vorstellen, wie es ist, wenn Dir jemand eine Handvoll Sand ins Gesicht wirft. Aber der Unterschied beim Sandsturm ist, daß der Jemand nicht aufhört, immer neuen Sand zu werfen oder besser gesagt, zu schleudern, da der Wind mit mächtiger Geschwindigkeit und Kraft daherbraust. Ich wünschte mir meinen Zellophanbeutel, den die guten Borromäerinnen mit Jussuf Effendis und hartgekochten Eiern als Wegzehrung für mich gefüllt hatten, als Gesichtsschutz. Aber er liegt im Kofferraum verstaut. So drehe ich mich schließlich um und bald sind die Haare (ich fuhr wie üblich ohne Hut) so gründlich mit Sand berieselt und durchsetzt, wie sie es bei der Nitritwüstenfahrt durch den einstündigen Regen waren. Doch Sand arbeitet viel schneller. Denn im Nu sind mir auch die Ohren mit Sand gefüllt. Ich verstehe nun gut die Wüstenbewohner mit ihren malerischen Kopf- und Halstüchern, die sie sicher nicht wegen des malerischen Aussehens, sondern als Sandschutz tragen. Der Sandsturm arbeitete übrigens wie ein Sandsturmgebläse. Denn als wir mit dem Reifenwechsel fertig waren, war der schöne blaue Lack des Wagens auch fertig. Er war rauh und trüb und ließ an den Kanten das Blech der Karosserie sehen, auch das vorher so schön blinkende Chrom war stumpf geworden. Als wir die Kühlerhaube hoben, lagen unter derselben einige Pfunde feinen Sandes auf dem Motor, der durch die Luftlöcher des Kühlers hineingeweht worden war. Ebenso plötzlich wie der Sandsturm eingesetzt hatte, verschwand er dann auch. Doch wurden noch feine Sandschwaden wie Rauch über die schwarze Strasse getrieben. In verlangsamter Fahrt erreichten wir das Rasthaus auf halber Wegstrecke nach Kairo, das Dir als Ausgangspunkt unserer Jeepfahrt zu den Klöstern schon vertraut ist. Teilnahmsvoll erkundigte ich mich gleich nach dem Jeep. Er steht noch heute einsam in der Wüste, wo wir ihn verlassen hatten. Es sollte nun der Reifen geflickt werden, doch zeigte der arabische Monteur, dass auch der Reifenschlauch in Fetzen war, wohl, weil bei der schnellen Fahrt vor dem Bremsen auf den schadhaften Reifen gefahren war. Der Handel um einen neuen Schlauch und das Flicken des Reifens dauerten mit orientalischer Ruhe eine Stunde, die wir zu einem Tee im Rasthaus nutzten. Dann ging es am Menahaus un den Pyramiden von Gizeh entlang frohgemut nach Kairo. Hier wollte Fam. E. ihre beiden Ältesten (15 und 16 Jahre) ganz kurz besuchen, die im deutschen Schülerheim in Zamalek waren, um ihnen Geld und „Futter“ zu bringen. Mit dem Auto ein kleiner Umweg von nur höchstens 10 Minuten. Er verschaffte uns aber einen Aufenthalt von gut 1 ½ Stunden. Denn Vater und Mutter E., die jeder einen Autoschlüsselbund hatten, hatten in der Freude des Wiedersehens mit den Sprösslingen beim Öffnern des Kofferraumes und Entnehmen schöner Mitbringsel ihre beiden Schlüssel in dem Kofferraum abgelegt und diesen zugeklappt. Nun läuft aber auch das schönste Auto nicht ohne Zündschlüssel. Die Versuche der Söhne und ihrer Freunde mit Draht und Dietrich den Raum zu öffnen, scheiterten an dem guten amerikanischen Ford. So musste das Fernsprechbuch nach der nächsten Reparaturwerkstätte für Ford befragt werden und Sohn 1 fuhr im Auto dorthin. Aber, oh Schreck, sie war geschlossen, denn es war Freitag, der mohammedanische Sonntag. So kam man schließlich auf die Idee, den ganzen Wagen von innen auszuräumen. Die Sitzplätze wurden herausgenommen und der dadurch gewonnene Zugang zum Kofferraum von vorn schaffte auch glücklich die 2 Schlüsselbunde herbei. Mittlerweile dunkelte es und als wir Heliopolis erreicht hatten, um hier die Wüstenstrasse Kairo-Suez zu benutzen, war es bereits ägyptische Finsternis. Diese Strasse dient nächtlich den aus Suez mit entladenen Schiffsgütern und Petroleum kommenden Lastern zur Versorgung der Großstadt Kairo. So zählte ich 32 solcher Lastwagen, die uns mit blendenden Scheinwerfern entgegenkamen, die sie oft nur mangelhaft abblendeten. Um nichts zu riskieren, stoppten wir also jeweils, wenn uns solch ein Ungetüm passierte. Dadurch wurde unsere Fahrt nicht gerade beschleunigt und wir benötigten rund 3 Stunden für die 130 km lange Strecke. Endlich erreichten wir den Golf von Suez mit Lichterglanz und zahlreichen arabischen Wegschildern, die wir leider nicht lesen konnten. Wie notwendig etwas arabische Sprachkenntnisse, zumindest in der Provinz sind, sollten wir bald darauf erleben. Wir wussten leider alle nicht das arabische Wort „funduk“ für Hotel und fragten auf der Polizeistation nach Hotel Misz (= Ägypten), wo wir Zimmer für die Nacht bestellt hatten. Man wies uns nach Süden. So fuhren wir an der großen Petroleumraffinerie, an Tanks und Bahngleisen entlang, bis wir an einem großen Hafengelände angelangt waren, der Werft und Schiffsgesellschaft Misz. Ein intelligenter Nachtwächter war unsere Rettung, er hatte schon mal das Wort Hotel gehört und riet uns einem Omnibus nachzufahren, der in die Stadt Suez fuhr. So ging es zurück den ganzen Weg nunmehr nach Norden, freundliches Winken an der Polizeiwache, die uns in den April geschickt, und schließlich standen wir vor dem Hotel Misz, glücklich, dass man uns nicht noch zur Bank Misz, zur Zeitung Misz und all den vielen Handelshäuser Misz gesandt hatte. Die Nacht war kühl und kurz, aber frei von Ungeziefer.

 

 

 

Um 9 Uhr früh, am 28. Februar, starteten wir dann zu unserer Roten Meer Fahrt nach Süden, passierten zunächst ein von der Petroleum Misz errichtetes Siegestor mit rotweißschwarzen Fahnen, hübsch bedruckten arabischen Stoffen, dem Bilde von Präsident Nasser und Emblemen der Petroleumraffinerie zur einjährigen Jubelfeier der Vereinigten Arabischen Republik, sahen dann bei Tage die umfangreichen Industrieanlagen, an denen wir nächtlich entlang geirrt waren und erreichten die Militärgrenzstation des Attaka Distrikes, wo wir unser mit 5 Fotos geschmücktes Permit des Frontierkorps aus Kairo vorzeigten, da ohne ein solches der Rote Meer Bezirk nicht betreten werden darf.. 140 km nach Süden führte uns nun die Fahrt, oft ganz nahe dem Ufer des Roten Meeres, so dass an gefährlichen Stellen schwarzgelbe Warnpfähle eingerammt und die Fahrgeschwindigkeit auf 30 km beschränkt war. Idealer Badestrand feinen Sandes wechselte mit Steingeröll, seltener Ackerboden mit völliger Wüste, Schirmakazien und kleine Palmenhaine mit vegetationsloser Einöde ab. Am Strand sah ich mehrfach die weißen ägyptischen Kuhreiher, auf einem Sturzacker aber saßen etwa 30 mächtige Raubvögel vom Bussardtyp, ein nie geschauter Anblick. Auch Adler zogen ihre Kreise und baumten ganz nahe unserem Wagen auf Felsen auf. Schiefergrau, gelb und rot leuchteten die uns begleitenden Bergketten, die dem Roten Meer seinen Namen gaben. Hier fanden schon die alten Ägypter Halbedelsteine in ihren Minen, etwas südlicher liegen Steinbrüche des berühmten roten Porphyrs. Die wilde Großartigkeit der Natur, die uns umgab, ist schwer zu beschreiben. Dabei von einigen Lagern des Kamelreiterkorps mit ihren Zelten und weißen Reitdromedaren abgesehen, stundenlang völlige Einsamkeit. Ein einziger Wagen kam uns entgegen und dieser war ein Mercedes aus Hannover. Der stämmige Laster mit Plandach und Tropenausrüstung gehörte einer deutschen Firma, die geologische Untersuchungen bei Ras Gharib (arabisch: ‏‫رأس غارب‬‎,) am Roten Meer weiter südlich vornimmt, wie uns die 2 deutschen Fahrer berichteten. Endlich sahen wir den Leuchtturm von Ras Zafarana auftauchen, unserem Ziel, denn von hier mussten wir westlich in die Gebirgswüste abbiegen. Die Leuchtturmwärter waren sehr freundlich, sie gaben einem nacktfüßigen Alten Order, uns den Abgang der Wüstenpiste durch das Wadi Araba von der Fahrstrasse zu zeigen. So schritt der Alte eilig voran und zeichnete uns dann mit seinem Stab eine Skizze in den Wüstensand. Wie mir ein Geistlicher in Alexandrien gesagt hatte, mussten wir genau 34 Kilometer dieser Piste durch das ehemalige Flußbett folgen und dann nach Süden zum Kloster abbiegen. Gesagt, getan. Wir ruckelten brav 34 Kilometer die Piste entlang, die mit ihrem den Bodenerhebungen folgendem Auf und Nieder sehr einer Fahrt über zahlreiche Dromedarhöcker glich und sahen tatsächlich nach Erreichung der besagten Kilometer eine andere Piste rechtwinkelig abbiegen, nur, dass dieser „Weg“ durch eine Barriere Steinbrocken von Pflastersteingröße gesperrt war. Im Vertrauen auf den Alexandrinischen Gottesmann umfuhren wir die Pflastersteine und merkten erst auf der Rückfahrt, dass dieser „Weg“ kein Weg mehr war, sondern vor etwa 20 oder 50 oder 100 Jahren dazu diente. Der jetzige Weg mündete bei Kilometer 34, 75 auf die Piste und hier steht tatsächlich ein etwa 20 cm. hoher Stein als Wegweiser mit der Einmeißelung St. Antonio. Vielleicht war er gerade mal vom Sande verweht, wie so häufig bei den Wüstenwegweisern, als der deutsche Konsul ihn suchte. Wir fuhren also den uralten Weg und als der Kühler zu kochen begann, weil es ihm 'zu sauer' wurde, entschlossen wir uns zum Picknick. Dank der amerikanischen Ausrüstung von Fam. M., die Primuskocher, leichte Metallteller, viele Konserven, Obst usw. mitgebracht, wurde es ein opulentes Mahl in der Wüste. Ich betrachtete einige nahe Kameldornbüsche, die zart blau blühten. Hier tummelten sich Fliegen. Ob es dann nicht auch Fliegenfresser geben würde? Ich brauchte nicht lange zu warten, da erschien ein kleiner Miniaturdrachen unter dem Dornbusch, hellgrau und blau gefärbt, genau wie der in Brocken den Sandboden bedeckende Kalkstein. Der Körper schlank wie eine Eidechse und mit langen Krallen an den Pfoten, aber der Kopf breit wie ein Frosch mit gelbgeränderten großen Froschaugen, die mich neugierig und aufmerksam bei schräger Kopfhaltung beäugten. Mir war dieser Wüstenbewohner unbekannt, und ich muss ihn im Brehm daheim suchen.

 

 

 

Nachdem der Wagen sich genügend abgekühlt und wir uns genügend kalorisch aufgefüllt, wurde die Fahrt fortgesetzt, die uns glücklich um ½ 3 Uhr nachmittags vor die Mauern des St. Antoniusklosters (arabisch دير الأنبا أنطونيوس ) führte.

 
 

Sie umschließen ebenso wie die Klöster des Wādī an-Naṭrūn einen großen Komplex von Küchen, Häusern, Palmenbeständen und Gemüsegärten. Die Dir schon bekannte Zeremonie des Glöckleinläutens kündigte uns an und dann die übliche Wartezeit. Da umschwirrte mich plötzlich ein alter Heimatbekannter, Makroglossa stellatarum, der Taubenschwanz, dessen Raupe auf Labkraut lebt. Wie mag dieses Tierchen in der Wüste Lebensbedingungen finden? Vielleicht, dass Labkraut im Klostergarten wächst? Im Gegensatz zu den niedrigen Eintrittspforten besitzt St. Anton ein mächtiges eisenbeschlagenes Eingangstor, durch das wir unseren Wagen sogar in den Klosterhof fahren dürfen, nachdem die Mönche eine breite Palmenholzschwelle herbeigeschleppt haben, welche die hohe Torstufe für den Wagen ausgleichen soll. Doch der Zugang war nicht immer so leicht. Noch vor hundert Jahren gab es kein Einfahrtstor, sondern der Zugang bestand in einem Strick, der als Aufzug diente. Wir wurden sehr herzlich empfangen. Ein junger Priester, ein Mönch und ein junger Novize sprachen englisch, während der ehrwürdige 75jährige Abt Abu Joussef (Vater Josef) nur arabisch verstand. Man zeigte uns den alten Aufzug. In 10 m Höhe war auf der Mauer ein geräumiges Verlies gebaut, in dem ein mächtiger Göbel steht. Ein Mönch betätigte denselben und rollte dabei das dicke Seil ab, das der freundliche Priester ergriff, sich um den Leib schlang und dann durch eine geöffnete Falltür sich 10 Meter abwärts schweben ließ, bis er den Boden vor dem Kloster erreicht hatte. Dann ließ er sich in gleicher Weise wieder mittels der als Göbel bedienten Holzwinde hinaufhieven. Auch alle Lebensmittel wurden in Körbchen durch eine kleine Dachöffnung in der Mauer hinauf und hinab befördert. Doch nicht nur der Freiluftaufzug von Mensch und Tier und Nahrung am Strick bot eine Sehenswürdigkeit des uralten Klosters. Auch eine 1000-jährige Mehlmühle, mit der ein Eselchen am Göbel das Getreide mahlte, konnten wir sehen, die versteinerte Losung des Eselchens zeugt heute noch von seinen Erdentagen. Als wir den Mönchen erzählten, dass in unserer Heimat der Esel als Sinnbild der Dummheit gilt, machten sie erstaunte Gesichter und erzählten, dass ihr jetziger Klosteresel, der einen Bruder mehrfach zur Abholung von Schriften oder Lebensmitteln nach dem Leuchtturm begleitet hatte, jetzt die fast 50 km lange Wegstrecke nach Ras Zafarani allein geht und gut beladen zurückfindet. Also nicht nur die Menschen, sondern auch die Tiere sind in anderen Breiten oft verschieden in Gebahren und Leistung. Sehr interessant ist die Wasserversorgung des Klosters, die auch das Leben der ganzen Bergoase ermöglicht. Aus einem Felsen springt ein munterer Quell, der sich in 2 runden Steinbecken sammelt und von dort den Garten berieselt. Er dient den Mönchen als Trinkwasser und ist sicherlich an seinem Ursprung rein und klar. Er soll erst entstanden sein, als der Heilige Antonius mit seinem Stock gegen den Felsen schlug, worauf er die Gemeinschaftssiedlung des Klosters hier gründete. Er selbst lebte in einer Höhle auf dem Berge Kolzim weit über dem Kloster, zu der man in 2 Stunden Kraxeltour hinaufsteigen kann. Uns fehlt es dafür an Zeit, da auch der Abstieg mindestens 1 Stunde dauert. Es muss aber in dieser Bergeshöhe eine sehr gesunde Luft herrschen, da der Heilige dort 105 Jahre alt wurde. So ist er auf allen Bildern mit einem schneeweißen Bart dargestellt, der ihm fast bis zum Knie reichte.

 
 
 
Bildnis des Hl. Antonius [2]

 Abb. gemeinfrei

 

 

 

Mehrfach sah ich auch Bilder von ihm gemeinsam mit seinem Zeitgenossen, dem Heiligen Paul von Theben, auch dieser mit langem, weißem Rauschebart. Der Heilige Paul gründete auf der anderen Seite der Bergkette das St. Paulskloster, das gleichfalls noch heute bewohnt ist. Es liegt noch etwas südlicher als das St. Antoniuskloster und die Mönche erzählten, dass es von ihnen aus in 10 Stunden Fußweges oder 2 Autostunden zu erreichen ist.

 

 

 
 
 

Der Hl. Antonius besucht den greisen Paulus von Theben

- Abbildung gemeinfrei [3]

 
 

Die Hauptkirche des Klosters, ein Kuppelbau, ist dem Heiligen Antonius geweiht. Die Ausmalung der Decken und Wände war sehr stark nachgedunkelt oder von Bränden geschwärzt. In einer kleinen Nischenkapelle sah ich schöne Christus- und Heiligenbilder, die nur mit Wachskerzen zu betrachten waren. Die geschnitzten Holzbalustraden, Predigtstühle, elfenbeineingelegten Türen, die Straußeneier und Bodenteppiche unterschieden sich nicht von den bisher geschauten Klöstern. Der ganze Kult der Kopten ist aber der Urkirche viel näher, eine Madonnenverehrung tritt gegenüber Rom weit zurück. Ich sah hier nur ein einziges Madonnenbild in einer kleinen, der Jungfrau Maria geweihten Nebenkapelle. Dagegen sind die Mönche jetzt dabei, eine zweitürmige Kirche dem Heiligen Paul zu errichten, deren Äußeres bereits vollendet und nun der Inneneinrichtung harrt. Zwischen St. Paul- und St. Antonkirche liegt eine richtige, höchst malerische „Dorf“-straße mit den Wohnungen der Mönche. Nahe der Toreinfahrt liegt das Gästehaus mit einem großen Mittelsaal, der die üblichen Bilder der koptischen Patriarchen, ein Großfoto des in Sidi Setouf am Nil residierenden Bischofs der arabischen Wüstenklöster und Gemälde des Heiligen Antonius allein und gemeinsam mit dem Heiligen Paul zeigt. So verbreiten die alten auf uns herabschauenden Herren eine ganz gemütliche Atmosphäre. Zunächst luden uns die Mönche zum Tee ein, am Abend revanchierten wir uns und luden die 3 englisch sprechenden Führer zu unserem Mahl, das unsere beiden Damen mit Primuskocher recht üppig zubereitet hatten (Makkaroni, Fleischklöße, Rührei, Schinken- und Käsebrote, Apfelsinen, Bananen und sehr aromatische Äpfel aus dem Libanon). Zum Tee folgten amerikanische Süßspeisen. Die guten Mönche werden lange nicht so fein gespeist haben. Der sehr sympathische Priester mit einem feinen Kopf war erst 20 Jahre alt, lebte aber schon 3 Jahre hier im Kloster, in das er als Novize mit 17 Jahren eintrat. Er klagte über Magenbeschwerden und Dr. E. und ich untersuchten ihn deshalb, wobei übrigens sein ganzer Stab an Vertrauten um ihn herumstand. Die Mönche verabschiedeten sich dann früh, da sie ja ihren nächtlichen Kirchendienst haben und fragten, ob wir der Frühmesse beiwohnen wollen, dann würden sie sich mit der Zeit (5, 6 oder 7 Uhr) nach uns richten. Ich hörte nicht genau hin, was dann verabredet war. Die Amerikaner begannen Karten zu spielen und so ging ich nach diesem eindrucksreichen Tage lieber zeitig ins Bett. Das Gästehaus hat 4 Gastzimmer zu je 2 Betten, von denen die Ehepaare E. und M. je ein Zimmer bezogen und ich mir das 3. Zimmer nahm, die alle auf den großen Empfangssaal hinausgingen. Ich hatte etwas viel Tee getrunken und erwachte gegen 3 Uhr. Das verschaffte mir ein besonderes Erlebnis. Da das Gästehaus keine Toilette hat und diese in einem aus Palmenholz erbauten kleinen Pavillon der Veranda sich befand, ging ich mit Pullover und Mantel hinaus in die Kühle der Nacht. Ein silberner Halbmond leuchtete vom Himmel und eine unwirkliche Landschaft bot sich meinen Blicken. In grausilberigem Halbdunkel ragten die Türme von St. Paul, die hohen Palmen wehten gespenstisch und leise ihre Wipfel, die Gasse des Mönchsdorfes tat sich als dunkelnder Schlund vor mir auf und aus der Ferne hörte ich Menschengesang. So ging ich den Tönen nach, gelangte vor das Portal der Antoniuskirche, sah dort Schuhe der Mönche stehen, stellte meine dazu und ging auf Strümpfen über die Teppiche zum Altar, wo ein wie ein Beduine verhüllter Mönch vor einem von 2 dünnen Wachskerzen erhellten Lesepult stand, eine dritte kräftigere Kerze in der Hand haltend über das Heilige Buch, aus dem er Zeile für Zeile mit dem Finger mitlesend in gleichbleibend hoher Stimmlage singend vorlas. Neben ihm kauerten vermummte Mönchsgestalten. Nachdem ich das stimmungsvolle Bild und den eigenartig monotonen Gesang in koptischer Kirchensprache etwa 10 Minuten auf mich einwirken ließ, zog ich mich leise zurück und trat bei schon viel heller gewordenem Tag den Rückweg an. Befriedigt legte ich mich erneut schlafen und wurde erst um 9 Uhr geweckt, als die Ehepaare M. und E. von der Frühmesse zurückkehrten, die 2 Stunden lang von 7 bis 9 Uhr gedauert hatte. Der alte Abt hatte sie in weißem Gewande mit Stola und Abthut selbst zelebriert, unterstützt von seinen ebenfalls feierlich gekleideten Mönchen und ihrem Wechselgesang. Es soll sehr feierlich und eindrucksvoll gewesen sein, nun, wir konnten nur gegenseitig unsere Eindrücke von Nacht- und Frühmesse austauschen. E. brachte mir auch ein heiliges Brot mit eingepreßtem Kreuzzeichen mit, das man nach Anweisung des Priesters sogleich nach der Messe essen solle. Ich bringe es Dir als Andenken mit. Das Frühstück, Tee, Klosterbrot, Butter und Eier schmeckten ausgezeichnet und wir schrieben uns nun auch ins Gästebuch ein, dessen meiste Eintragungen arabisch waren. Nur ganz vereinzelt waren unter den Besuchern Europäer, auch Deutsche. Einer hatte mit deutscher geschichtlicher Gewissenhaftigkeit eingeschrieben, 'besucht im 1600. Todesjahr des Heiligen Antonius, da dieser 356 starb.' Geld für die Übernachtung und Gastlichkeit lehnten die Mönche ab, ließen sich aber überreden, für den Ausbau der St. Pauluskirche eine Gabe zu nehmen. Dann herzlicher Abschied. Der alte Abt zeigte seine Tätowierung des linken Unterarmes, ein Christuskopf, den er sich am Heiligen Grabe in Jerusalem, das die Kopten bewachen, einbrennen ließ. Meine Begleiter machten noch Fotos, von denen ich Dir später Abzüge zu senden hoffe. Jedenfalls war dieser Klosterbesuch ein ganz seltenes Erlebnis, das nur sehr wenigen zuteil wurde. Unsere Fahrt von Alexandrien bis St. Anton betrug 560 Kilometer, auf der Rückfahrt sah ich Delphine ihre Rückflossen spielend aus dem Meer hebend, was mir viel Freude bereitete.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


[1]Datei: St. Anthony's Monastery 2006.jpg ­– https://de.wikipedia.org/wiki/Datei:St._Anthony%27s_Monastery_2006.jpg – Zugriff: 21.6.2019. „Dieses Werk wurde von seinem Urheber Tentoila in der Wikipedia auf Englisch als gemeinfrei veröffentlicht. Dies gilt weltweit. In manchen Staaten könnte dies rechtlich nicht möglich sein. Sofern dies der Fall ist: Tentoila gewährt jedem das bedingungslose Recht, dieses Werk für jedweden Zweck zu nutzen, es sei denn, Bedingungen sind gesetzlich erforderlich.“
 
Bildnis des Hl. Antonius. Isenheimer Altar, ehemals Hauptaltar des Antoniterklosters in Isenheim/Elsaß, Werktagsseite, rechter Flügel. Künstler: Mathis Gothart-Nithart, Mathis Nithart-Gothart, Matthias von Aschaffenburg, geb. Würzburg (?) ca zwischen 1475 und 1480, verst. Halle/Saale 31. August 1528. Abbildung gemeinfrei. 
 
[3]Diego Rodrigues de Silva y Velázquez – Abbildung gemeinfrei.
 
 

 

Powered By Website Baker